Backpacking ist schon lange kein missbilligend beäugtes Einzelphänomen mehr, bei dem sich vereinzelte Aussteiger auf die Suche nach fremden Kulturen, Freiheit und alternative Lebensmodellen begeben. Es hat sich vielmehr zu einem gesellschaftlich gut angesehenen Massenphänomen entwickelt.
Vereinzelt gibt es sicherlich noch den gesellschaftskritischen, freiheitssuchenden Aussteiger der sich als Teil einer Gegenbewegung gegen den konsumorientierten Mainstream begreift. Doch die Backpackerlandschaft ist mittlerweile stärker geprägt von dem wohlhabenden, komfortabel und technologisch hoch ausgestattet reisenden Rucksacktouristen, dem der Komfort auf der Reise nicht fehlen darf. Genauso wie von dem party- und drogenaffinen Backpacker, der unkompliziert leben möchte und sich erhofft, Gleichgesinnte auf der Reise zu finden und dem dabei das Interesse an der lokalen Kultur und der Lokalbevölkerung nebensächlich wird.
Die schiere Anzahl dieser Backpacker und die gezielte Vermarktung dieser Reiseform von der Tourismusindustrie machen den heutigen Rucksacktourismus zum inkrementellen Bestandteil des Massentourismus und seine Effekte müssen deshalb auch unter diesem Blickwinkel betrachtet werden.
Backpacker verstehen sich als Antipode zum Pauschaltouristen und meiden dementsprechend auch deren Hotelskylines. Auf abenteuerlicher Suche nach abgelegenen, unberührten Orten erschließen Rucksacktouristen häufig paradiesische, von Touristen unangetastete Gebiete. Da Backpacker jedoch dank Interaktion untereinander sowie Reisebibeln wie Lonely Planet & Co., häufig auf sehr ähnlichen Routen wandeln, entstehen oft nach kürzester Zeit Hostel-Landschaften an den einst spärlich bewohnten Gebieten, die überraschend ähnlich den Hotelskylines erscheinen. Als aktuelle Beispiele für dieses Phänomen seien beispielhaft die thailändische Insel Ko Chang, die kambodschanische Hafenstadt Sihanoukville und das kolumbianische Corregimiento Palomino erwähnt. Wenn der Zeithorizont entsprechend lang betrachtet wird, endet oft das was als Backpackerlandschaft begonnen hatte, in mit internationalem Kapital errichteten Erholungsresorts.
Ein weiterer, häufig nachzuzeichnender Effekt ist eine Erweiterung und Veränderung des Produktangebots. Wenn Lokalbevölkerung und Touristen von dieser Entwicklung gleichsam profitieren, wäre das optimal. Problematisch ist es nur dann, wenn sich das Produktangebot zunehmend an den Bedürfnissen der Touristen orientiert und nicht mehr an den Bedürfnissen der Anwohner. Obendrein steigen aus rein ökonomischer Sicht bei zunehmender Nachfrage die Produktpreise und die gesamten Lebenserhaltungskosten. Ist dies für Touristen weniger problematisch, kann ein dauerhafter Preisanstieg für die einheimische Bevölkerung schnell eine Existenzbedrohung bedeuten.
Ein positiver Effekt des Rucksacktourismus für die Lokalbevölkerung könnte sein, dass Arbeitsplätze im Tourismussektor entstehen und somit Armut bekämpft wird. So erhöht sich durch die steigende Konsumentenzahl die Nachfrage nach Konsumgütern sowie die Nachfrage nach Unterkünften und Freizeitangeboten, was folglich auch die Nachfrage nach Arbeitskräften ansteigen lässt. Dieses Bild wird dadurch getrübt, dass die Inhaber von Hostels, Hotels und Freizeitunternehmen meistens nicht etwa Einheimische sind, sondern ausländische Investoren oder Backpacker selbst. Einheimischen fehlt es schon meist am nötigen Startkapital für solche Investitionen und sie enden somit oft als billige Arbeitskraft für den ausländischen Eigentümer. Das Argument der Armutsbekämpfung wird somit vom Vorwurf des Neokolonialismus torpediert.
Backpackern des Neokolonialismus zu beschuldigen mag überzogen erscheinen, eine Mitschuld könnte man ihnen aufgrund ihrer Vorreiterrolle jedoch durchaus zurechnen. In den einst selbstbestimmten Gegenden nimmt durch das Backpacking der Einfluss ausländischer Unternehmen und Investoren progressiv zu. Profit wird erwirtschaftet und dabei verhindert, dass die Zielländer sich selbstständig vermarkten können, was wiederum zu einer ökonomischen Abhängigkeit führen kann. Investitionen und der Ausbau von Infrastruktur orientieren sich zunehmend an der Bedürfnisstruktur der Touristen und nicht an jener der Lokalbevölkerung. Umwelt und Mensch werden dadurch fremdbestimmt und die Schere zwischen Arm und Reich öffnet sich weiter.
Jedoch ist Veränderung und Fortschritt nicht immer zwangsläufig den Interessen der Lokalbevölkerung abträglich. Viele wünschen sich Teil des Fortschritts zu sein und möchten keineswegs von der modernen Welt isoliert und unbeeinflusst bleiben. Wenn zunehmender Kapitalfluss den Bau von Straßen, Brücken, Schulen und Krankenhäusern fördert und sich somit die Lebensqualität der Einheimischen verbessert, zeugt es fast von Ignoranz, wenn man sich als Tourist die unberührte, pittoreske Natur und die unverfälschte Erfahrung mit den Einheimischen zurückwünscht. Das Reisen somit an sich zu diffamieren scheint weniger sinnreich. Durchaus zielführender mag es sein, Möglichkeiten zu suchen, der Lokalbevölkerung ihren Einfluss über Mensch und Umwelt zurückzugeben, Fremdbestimmung zu vermeiden und Wege zu finden, wie sie durch ausländischen Einfluss profitieren und an der Entwicklung partizipieren können.
Es sind nicht nur ökonomische Faktoren, die ihre Wirkung auf die Zielländer entfalten. Das Aufeinandertreffen verändert Reisende und Einheimische. Backpacking könnte demnach eine Chance sein, interkulturelle Begegnungen zu schaffen und die Völkerverständigung voranzutreiben. Durch interkulturelle Begegnungen können Vorurteile abgebaut und Individuen interkulturell sensibilisiert werden.
Die Realität präsentiert aber oft ein durchaus weniger hoffnungsvolles Bild. Backpacker haben zwar oft das subjektive Gefühl, die lokale Kultur näher und authentischer zu erleben als klassische Reisegruppen, jedoch haben sie selten überproportional mehr realen Kontakt mit Einheimischen und deren Bräuchen. Viele Rucksacktouristen umgeben sich häufiger mit anderen, gleichgesinnten Backpackern als mit den Anwohnern. Das subjektive Gefühl der interkulturellen Begegnung ist dann mehr dem Kennenlernen von Menschen anderer westlicher Nationen geschuldet als der authentischen Erfahrung der Lokalkultur. Zusätzlich ist zu beachten, dass die lokale Bevölkerung zwar die Reisenden kennenlernt, aber nicht deren Heimatländer und sie somit auch nicht mit deren Sitten und Gebräuchen vertraut sind. Unter Umständen kann auch die häufig anzutreffende Respektlosigkeit oder Unwissenheit der Reisenden gegenüber der Kultur des Gastlandes Unverständnis hervorrufen, Vorurteile bilden und verfestigen. So tragen zumindest die Full-Moon Partys in Thailand weniger zur Völkerverständigung bei und mehr zu einem kulturellen Missverständnis und ökologischem Desaster.
Backpacking hat mit Sicherheit seine Unschuld verloren und hat sich in den letzten Jahrzehnten neu definiert. Das kann jedoch auch kein Plädoyer gegen das Reisen und das Backpacking an sich sein. Kulturelle Begegnungen sind wichtig für die interkulturelle Verständigung, denn Isolation und Abschottung waren noch nie Rezept für ökonomische, kulturelle und soziale Prosperität.
Auf Individualebene geht es vielmehr darum, sich den Effekten seiner Reiseform bewusst zu werden und sich kritisch selbst zu reflektieren, um so die negativen Auswirkungen seines Einflusses zu minimieren und die positiven Auswirkungen zu maximieren.